ISLAMISCHER RELIGIONSUNTERRICHT Etikettenschwindel und Verfassungsbruch in NRW

(Fundstück)

Um Religionsunterricht i.S.v. Art. 7 GG erteilen zu können, wird eine Religionsgemeinschaft benötigt, die nicht vorhanden ist. Daher hat die NRW-Landesregierung einen Beirat ernannt, der vorübergehend ähnliche Rechte besitzen wird wie eine Religionsgemeinschaft. Dies ist aber ein Etikettenschwindel und Verfassungsbruch auf Zeit.

Der als „erster islamischer Bekenntnisunterricht“ titulierte Unterricht aus NRW ist aus religionswissenschaftlicher Sicht kein Bekenntnisunterricht, da in ihm alle möglichen muslimischen Konfessionen ökumenisch zusammengewürfelt sind. Selbst Laien kennen diese muslimische Konfessionen wie Sunniten, Salafisten, Schiiten oder Aleviten aus den Medien.

Der gewünschte konfessionsübergreifende Anspruch des Beirats und der KRM-Verbände (Koordinierungsrat der Muslime) suggeriert eine nicht existierende ungeteilte Religionsgemeinschaft. Alleine aber in ihrem sunnitischen Spektrum sind unterschiedliche Bekenntnisse und Lehren wie z.B. von der staatlichen Diyanet (DITIB), über die Lehren von VIKZ Imam Süleyman, der IGMG im Islamrat, bis hin zu den Muslimbrüdern im Zentralrat vertreten. Um eine ungeteilte Religionsgemeinschaft zu werden, müssten sich die KRM-Verbände dafür aber auflösen und zu einem einzigen Verband mit einheitlicher Theologie zusammenschließen.

Der jetzt entstehende Unterricht ist auch kein bekenntnisorientierter Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes (Artikel 7 Abs. 1 bis 3), weil er verglichen mit der Theologie im muslimischen Ausland, die an der muslimischen Konfession ausgerichtet ist, nichts gemeinsam hat. Vielmehr ist der Unterricht eine künstliche Zusammenstellung einiger muslimischer Grundsätze, die jede sonst übliche konfessionelle Ausformung vermeidet.

So wäre der muslimische Religionsunterricht bestenfalls ein ökumenischer muslimischer Religionsunterricht, wenn nicht noch andere Fakten dagegen sprechen würden. Man denke nur über die Einführung eines „christlichen Religionsunterrichts“ anstelle des katholischen und evangelischen Religionsunterrichts nach?

Die Partner der NRW-Landesregierung für einen muslimischen Religionsunterricht sind einseitig ausgesuchte konservative Verbände. Deren Beiratsmitgliedern (es gibt auch einige wenige unabhängige Vertreter im Beirat) vertreten dabei einseitige Verbandsinteressen. Sie alle wurden aber nicht durch Muslime in NRW legitimiert, eine religiöse Autorität zu formen, sondern politisch durch die Landesregierung ermächtigt.

Liberale Muslime und Islamkundelehrer hingegen wurden erst gar nicht als Dialogpartner für einen muslimischen Religionsunterricht in Betracht bezogen. Deshalb kann auch nicht von einem pluralistischen und ökumenischen Ansatz gesprochen werden, auf dem der „islamische Bekenntnisunterricht in NRW“ oder ein „ökumenischer Unterricht“ aufgebaut wäre.

Eine gewollte oder unwissende Förderung konservativer ethnischer, neopatriarchalischer, politischer und extremreligiöser Kreise ist die tatsächliche Grundlage der Vorgänge. Die Muslime, die die KRM-Verbände ablehnen, haben in dieser Situation keine Chance, einen Bekenntnisunterricht im Sinne ihrer Glaubensvorstellungen in Zusammenarbeit mit dem deutschen Staat zu etablieren.

Die Landesregierung verletzt die „Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses“ (Artikel 4 Abs. 1 GG) von liberalen Muslimen, durch die einseitige Ausrichtung ihrer Politik. Außerdem ist die einseitige Politik der NRW-Landesregierung, in Form des Beirates, eine direkte Einmischung in die innerreligiösen Angelegenheiten der muslimischen Gesamtreligion und widerspricht dem Grundgesetz (Artikel 140 GG i.V. m. Artikel 137 Weimarer Verfassung).

Es ist unannehmbar, dass die Landesregierung NRW dabei ist, mit ihrer „jetzt oder nie“ Haltung dabei ist, unlegitimierten Verbänden eine religiöse Handlungs- und Deutungsvollmacht (aber keine staatlich-pädagogische) über eine Religion im schulischen Bereich zu erteilen, die bis zum 31. Juli 2019 festgeschrieben wird.

Eine derartige Zwangsökumenisierung gilt es zu verhindern, da die Verbände nicht den gesamten Islam in NRW religiös vertreten, das beabsichtigte Gesetz sie aber, zunächst schulisch, in diese Position versetzen würde.

Grundsätzlich wäre es aber möglich und legitim, dass z.B. ein Einzelverein wie die IGMG die religiöse Vertretung nur für ihre eigenen Mitglieder einfordert und vertritt, wie dies auch christliche Kirchen für ihre Mitglieder machen, jedoch basierend auf tatsächlicher Mitgliedschaft.

Die KRM-Verbände werden den grundsätzlichen Faktor einer Religionsgemeinschaftsgründung nicht umgehen können, wenn sie langfristig an einem Religionsunterricht mitreden wollen. Solange sie eine Mischung aus politischen, ethnischen und religiösen Moscheeverwaltungsgesellschaften ohne Bekenntnis sind, haben sie kein Anrecht darauf, wie eine Religionsgemeinschaft behandelt zu werden. Scheitern könnte eine fiktive „KRM-Religionsgemeinschaft“ schon dann, wenn sie von Nichtmitgliedern eine „Steuer“ verlangten. Besonders sollte man auch berücksichtigen, dass der KRM nur eine Geschäftsordnung hat. Das Fehlen jeglicher anderer Dokumente, die eine Theologie oder religiöse Dogmatik formulieren, zeigt auch Laien, dass hier Funktionäre und Lobbyisten die deutsche Gesellschaft zu manipulieren versuchen, indem sie eine Religionsgemeinschaft vortäuschen, um ihre ethnischen, politischen und neopatriarchalischen Vorstellungen in Deutschland festigen zu können.

Dass sich die Entwicklung der muslimischen Religionsauffassung einseitig und nicht pluralistisch entwickeln würde, kann man auch an Aussagen der Verbände ablesen. Die öffentliche Kritik der IGMG (wegen einem Mangel an Katechese) am Schulbuch Saphir (dessen Autoren „liberale“ Muslime sind) macht deutlich, dass „Ziele und Vorstellungen Konservativer“ die unreflektierte Vermittlung der imitierenden religiösen Lehre sind. Das Konzept des Buches zielt dagegen auf die Förderung eines reflektierten Glaubens, eine reflektierte Aneignung und Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten sowie einer lebendigen Beziehung zum Glauben ab (was besonders exklusiv nicht Ritus in einer Moschee bedeutet), wobei Toleranz und Offenheit im Mittelpunkt stehen. Der Wunsch nach zentraler Verkündung von Glaubenswahrheit im Unterricht zeigt, dass die Vertreter der IGMG sich außerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen in ihrem Denken bewegen. Der Religionsunterricht findet nach Artikel 7 GG zwar in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften statt, beschränkt sich allerdings nicht alleine auf das Predigen einer funktionärs- und verbandsgebundenen Katechese.

Ob die Befähigung zur religiösen Dialog- und Urteilsfähigkeit (eine der wichtigsten und am meisten diskutierten Kompetenzen des Religionsunterrichts) durch die Theologen und Funktionäre der KRM-Verbände kultiviert wurde/wird und ob die Schüler aus den Erkenntnissen dieser Diskussionen und Erkenntnisse profitieren werden, wird sich allerdings zeigen müssen. In den letzten Jahrzehnten wurde dies bestimmt nicht durch die KRM-Verbände vorgelebt.

Soll die oben gemalte negative Szenerie bedeuten, dass ein muslimischer Bekenntnisunterricht unmöglich ist? Nein, soll sie überhaupt nicht. Ein muslimischer Religionsunterricht ist legitim und notwendig, schon alleine um die Gleichberechtigung der Religionen zu praktizieren. Er sollte aber im demokratischen Geist entstehen und nicht zwangsökumenisch eingeleitet werden.

Für die zukünftige Harmonie zwischen „konservativen“ und „liberalen“ muslimischen Konfessionen wird der Umgang der KRM-Verbände mit kleineren muslimischen Gruppen fundamental entscheidend sein, ebenso der Umgang der NRW-Landesregierung mit diesen.

aus: http://www.migazin.de/2012/05/04/etikettenschwindel-und-verfassungsbruch-in-nrw/

Über bikerpfarrer

Beauftragter der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz für die Arbeit mit Motorradfahrenden. www.ekbo.de
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